Andrei Stadnikov mit Vanya Bowden, Shifra Kazhdan und Dmitry Vlasik
Chow Down! (Friss!) (2019)
Performance
Andrei Stadnikov mit Vanya Bowden, Shifra Kazhdan und Dmitry Vlasik, Chow Down! (Friss!), 2019, Performance, Foto: Clara Wildberger
Andrei Stadnikov mit Vanya Bowden, Shifra Kazhdan und Dmitry Vlasik, Chow Down! (Friss!), 2019, Performance, Foto: Clara Wildberger
Andrei Stadnikov mit Vanya Bowden, Shifra Kazhdan und Dmitry Vlasik, Chow Down! (Friss!), 2019, Performance, Foto: Clara Wildberger
Onliner.by/AFP
Nicht nur Wissen, sondern auch Essen ist Macht, das sieht man deutlich in Andrei Stadnikovs neuem Stück für fünf Schauspieler*innen. Der Ausgangspunkt für seine surreale Inszenierung ist ein makabres Kapitel der jüngsten russischen Geschichte: die Vergeltungssanktionen, mit denen Russland Nahrungsmittelimporte aus der EU belegte. Diesen Stoff beleuchtet Stadnikov durch Textfragmente aus jener russischen Kabinettssitzung, bei der beschlossen wurde, all jene Nahrungsmittel zu vernichten, die zuvor widerrechtlich aus der EU ins Land gebracht worden waren – ein Beschluss, der in einem Land, in dem Hungersnöte eine lange Geschichte haben, weithin als Sakrileg aufgefasst wird. Stadnikovs szenischer Nacherzählung dieser Entscheidung folgt ein fiktiver Leichenschmaus. Dasselbe Kabinett sitzt nun zu Füßen seines kürzlich verstorbenen Staatschefs. Pathetische Grabreden begleiten ein rituelles Fressgelage, das von einer gespenstischen Aufzählung illegaler Nahrungsmittel unterbrochen wird, welche an der Grenze beschlagnahmt und vernichtet wurden. Ein musikalischer Score basierend auf Klagerufen – fester Bestandteil der Trauerarbeit vieler Kulturen – untermalt die Handlung. Dazu kommt ein Arrangement eines Arbeitertrauermarschs: ein Auszug aus der berühmten Symphonie der Fabriksirenen (1922) des russischen Avantgardekomponisten Arseny Avraamov. Eindrucksvoll gerahmt vom brutalistischen Kirchenbau, in dem diese Inszenierung gezeigt wird, wird hier die kultische, beinahe religiöse Seite einer Lebensmittel-Politik hervorgekehrt, die zugunsten der Mächtigen die Sehnsüchte der Hungrigen mit Bulldozern plattmacht.
11.10.19, 12.10.19, 19:00
Dauer: ca. 80 min.
Maria Verkündigungskirche
Am Rehgrund 2
8043 Graz
♿ Zugänglich für Rollstühle
Englisch mit deutschen Untertiteln
Eintritt frei mit Festival-Pass
Begrenzte Kapazitäten, Reservierung empfohlen, Reservierungsgebühr: 2 Euro
Einzelkarte 16/12 Euro
In Auftrag gegeben und produziert von steirischer herbst ’19
Konzept, Text, Regie: Andrei Stadnikov
Konzept, Bühne: Shifra Kazhdan
Konzept, Musik: Dmitry Vlasik
Kostüme: Vanya Bowden
Performance: Anton Kukushkin, Gladstone Makhib, Anastasia Pronina, Leonid Samorukov und Anastasia Velikorodnaya
Produktion: Evgeniya Petrovskaya, Darya Verner
Licht: Anton Astakhov
Skript-Übersetzung vom Russischen ins Englische: Thomas Campbell
Chor: Alexandru Cosarca, Margit Reif, Felix Scheuer und Sarah Zelt
Übertitel: Martin Thomas Pesl
Andrei Stadnikov (1988, Berdsk, Russland) ist Dramatiker, Theaterregisseur und Filmemacher. In seinen Stücken kombiniert und choreografiert er Performances, Sound-Art-Kompositionen und vorgefundene Textfragmente aus historischen und zeitgenössischen Quellen, die in Konstellationen präsentiert werden. Ein Schwerpunkt seiner Arbeit sind die bewegte Geschichte Russlands im 20. Jahrhundert und die textbasierten Vorstellungswelten, die diese hervorgebracht hat. Andrei Stadnikov lebt in Moskau.
Vanya Bowden (1991, Tel Aviv) ist eine Bühnen- und Kostümbildnerin, die für Theater und Film arbeitet. In ihrer Arbeit interessiert sie sich besonders für die Verbindung von Praktiken des Theaters und des Museums. Vanya Bowden lebt in Moskau.
Shifra Kazhdan (1973, Moskau) ist eine Künstlerin, die mit den Medien Text, Video und Installation arbeitet und regelmäßig mit Theatergruppen kooperiert. Ein Schwerpunkt ihrer Arbeit sind Genderfluidität und queere Sexualität im postsowjetischen Zeitalter. Shifra Kazhdan lebt in Moskau.
Dmitry Vlasik (1982, Moskau) ist Musiker und Komponist mit den Schwerpunkten Perkussion und experimentelle Musik. Er wirkt oft an Theaterproduktionen mit. Dmitry Vlasik lebt in Moskau.